Vertragsrecht in den USA

Die Bedeutung des US-amerikanischen Rechts im internationalen Geschäftsverkehr nimmt stetig zu. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass US-amerikanische Partner nur sehr zögerlich der Geltung eines ihnen fremden Rechts zustimmen, so dass Verträge mit US-Unternehmen in der Regel US-amerikanischem Vertragsrecht unterliegen. Zudem weisen internationale Verträge oft die Struktur eines US-amerikanischen Vertrages (common law-Vertragsstruktur) auf.

Das US-amerikanische Recht gehört zur Rechtsfamilie des sog. common law, das grundsätzliche Unterschiede zum kontinentaleuropäischen Recht, dem sog. civil law aufweist. Zu den grundlegenden vertragsrechtlichen Unterschieden gehören insbesondere

Diese und weitere Besonderheiten des US-Vertragsrechts werden nachfolgend erläutert:

1.  Vertragsrecht: Recht der Bundesstaaten

Der Begriff US-Recht umfasst sowohl das Bundesrecht (federal law) als auch das Recht der Bundesstaaten (state law). Diese haben eigene Rechtsordnungen, welche – sowohl im Hinblick auf das common law als auch im Hinblick auf das statutory law – zwar ähnlich, aber nicht einheitlich sind. Verträge unterliegen sowohl dem common als auch dem statutory law der Einzelstaaten, das – soweit zulässig – durch den Vertragstext (das sog. private law) ergänzt und/oder ausgeschlossen werden kann. Die meisten der gemeinsamen Grundsätze der common law-Prinzipien des Vertragsrechts der Einzelstaaten sind in den »Restatements Second of the Law of Contracts« des American Law Instituts (www.ali.org) abgebildet.

Um Divergenzen zwischen den Rechtssystemen der Bundesstaaten zu überbrücken, wurden für viele Rechtsgebiete von der National Conference of Commissioners for Uniform Laws sog. Modellgesetze (uniform laws) ausgearbeitet und den Bundesstaaten zur Annahme vorgeschlagen. In den meisten Einzelstaaten gelten nur wenige dieser uniform laws. In nahezu allen Staaten ist jedoch der Uniform Commercial Code Article 2.Sales (UCC Art. 2) in Kraft, der den Kaufvertrag über bewegliche Waren regelt.

2.  Kaufvertrag über bewegliche Waren

UCC Art. 2 (siehe bspw. www.law.cornell.edu/ucc/2) regelt den Kaufvertrag über bewegliche Waren. Er ist heute in allen Bundesstaaten (ausgenommen Louisiana) in Kraft, wenn auch in der Regel in jeweils modifizierter Form. Seine Regelungen erfassen alle Warenkäufe, nicht nur Handelskäufe. Für Kaufleute gelten jedoch zum Teil Spezialregelungen.

UCC Art. 2 enthält Regelungen zum Erfüllungsort, zum Übergang der Leistungsgefahr, zur Vertragserfüllung, zur Annahmeverweigerung, zu Schadensersatzansprüchen und Garantieerklärungen wie bspw.:

Die Regelungen des UCC Art. 2 sind jedoch teilweise abdingbar.

Das Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht) ist in den USA seit dem 01.01.1998 in Kraft und verdrängt bei internationalen Kaufverträgen den UCC Art. 2, wenn seine Anwendbarkeit nicht wirksam ausgeschlossen wird. UCC Art. 2 hat in diesem Fall lediglich Lücken füllende Funktion.

3.  Angebot und Annahme

Nach deutschem Recht kann ein Angebot grundsätzlich nur dann widerrufen werden, wenn der Anbietende sich den Widerruf vorbehalten hat (§ 145 BGB).

Ein Angebot unter US-amerikanischem Recht ist hingegen grundsätzlich frei widerruflich. Etwas anderes gilt, wenn der Anbietende für die Offenhaltung des Angebotes bis zu einem Stichtag eine Gegenleistung (sog. consideration) erhält (sog. option contract). In diesem Fall ist der Anbietende bis zu diesem Stichtag an sein Angebot gebunden.

Nicht widerruflich ist beim Verkauf beweglicher Waren auch das Angebot des Verkäufers, wenn dieser Kaufmann ist und schriftlich erklärt, das Angebot innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht zu widerrufen (sog. firm offer). Kaufmann ist jeder, der mit beweglichen Waren handelt oder vorgibt, besondere Kenntnisse oder Befähigungen hinsichtlich beweglicher Waren zu haben (UCC § 2-104(1)).

Ein Vertrag wird nach deutschem Recht zu dem Zeitpunkt geschlossen, in dem die schriftliche Annahmeerklärung den Adressaten erreicht und dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Unter US-amerikanischem Recht wird der Vertrag hingegen in der Regel schon zu dem Zeitpunkt geschlossen, in dem die schriftliche Annahmeerklärung in die Post gegeben wird (sog. mailbox rule).

4.  Erfordernis einer Gegenleistung

Das Rechtsinstitut der sog. consideration stellt – neben der nur ausnahmweise zulässigen Klage auf Erfüllung (sog. specific performance) – den größten Unterschied zum Vertragsrecht des civil law dar.

In den kontinentaleuropäischen Rechtssystemen des civil law sind Verträge grundsätzlich ab dem Zeitpunkt ihres Abschlusses bindend. Im US-Recht bedarf es jedoch noch der Vereinbarung einer Gegenleistung (consideration), um einen Vertrag rechtlich bindend zu machen. Auf die wirtschaftliche Gleichwertigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung kommt es dabei nicht an.

Ein Vertrag ohne consideration ist »illusory« und rechtlich nicht bindend. Dies gilt grundsätzlich auch für Vertragsänderungen. Eine Ausnahme gilt beim Kauf beweglicher Waren. Vertragsänderungen bedürfen in diesem Fall keiner consideration (UCC § 2-209). Nach dem Recht einiger Staaten vermag ein schriftlich abgefasster Vertrag die consideration zu ersetzen.

5.  Schriftformerfordernis

Bestimmte Rechtsgeschäfte bedürfen gemäß dem sog. Statute of Frauds der Schriftform. Dazu gehören

Die common law-Regeln erfordern die Schriftform zudem für Garantie- und Bürgschaftsversprechen.

Das Schriftformerfordernis des Statute of Frauds ist erfüllt, wenn sich aus einem von der in Anspruch genommenen Partei unterzeichneten Schriftstück ergibt, dass ein Vertrag geschlossen wurde.

6.  Vertragsinhalt

Der Inhalt eines Vertragsverhältnisses kann in einer Vertragsurkunde abgebildet sein. Möglich ist aber auch, dass Abreden außerhalb der Vertragsurkunde in sonstigen Schriftstücken oder mündlich getroffen werden.

Vereinbaren die Parteien, dass die Vertragsurkunde abschließender und vollständiger (final and complete) Ausdruck ihrer Vereinbarung sein soll, können außerhalb der Vertragsurkunde getroffene Abreden nicht berücksichtigt werden (sog. parol evidence rule). Der Inhalt des Vertragsverhältnisses ist in diesem Fall auf den Inhalt der Vertragsurkunde beschränkt. Beweismittel (wie bspw. Schriftwechsel, Verhandlungsprotokolle oder Zeugenaussagen) außerhalb der Vertragsurkunde werden nicht berücksichtigt.

Verträge, die dem parol evidence rule unterliegen, sind in der Regel sehr detailliert, da alle Punkte umfassend geregelt werden.

7.  Vertragserfüllung

Das common law sieht eine wesentliche Vertragserfüllung (substantial performance) als ausreichend an. Der Leistende kann die Gegenleistung (in der Regel die Zahlung des vereinbarten Entgeltes) trotz geringfügiger Abweichungen verlangen.

UCC Art. 2 beinhaltet hingegen das sog. perfect tender rule. Der Verkäufer ist grundsätzlich zur Lieferung von vertragsgemäßen und mangelfreien Waren verpflichtet. Jede Abweichung bewirkt einen Vertragsbruch und berechtigt den Käufer, die Annahme der Ware zu verweigern und Schadensersatz zu verlangen. Ist die Lieferfrist noch nicht abgelaufen, kann der Verkäufer einen zweiten Erfüllungsversuch unternehmen (UCC § 2-508).

8.  Vertragsbruch

In civil law-Rechtssystemen haben die Vertragsparteien nach Vertragsschluss Anspruch darauf, dass jede Partei die Leistung erbringt, zu der sie sich vertraglich verpflichtet hat. Der Verkäufer hat die Ware zu liefern und der Käufer den Kaufpreis zu zahlen. Diese Ansprüche sind in der Regel gerichtlich durchsetzbar.

Im US-amerikanischen Vertragsrecht kann bei Vertragsverletzungen (breach of contract) grundsätzlich nur ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Erfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht (sog. specific performance) wie bspw. der Lieferung der vertragsgegenständlichen Waren ist nur dann gerichtlich durchsetzbar, wenn der Vertragsgegenstand nicht anderweitig beschaffbar – und damit einzigartig (unique) – ist. Einzigartigkeit wird nur im Ausnahmefall (bspw. bei Kunstwerken) bejaht. Eine Entschädigung in Geld wird in der Regel als ausreichend erachtet, da man davon ausgeht, dass sich der Käufer den Vertragsgegenstand anderweitig beschaffen kann.

Zudem soll ein »efficient breach« von Verträgen grundsätzlich möglich sein. Die vertragstreue Partei erhält den ihr entstandenen Schaden ersetzt, während die nicht vertragstreue Partei nicht zur Erbringung der für sie wirtschaftlich nicht mehr sinnvollen Leistung gezwungen wird.

9.  Schadensersatz und Vertragsstrafe

Bei einem Vertragsbruch (breach of contract) kann die andere Partei Schadensersatz (sog. compensatory damages) verlangen. Der Geschädigte ist so zu stellen, als ob der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden ist. Compensatory damages beinhalten sog. general damages and special damages. General damages erfassen die üblicherweise durch einen solchen Vertragsbruch entstandenen Schäden. Special (oder consequential) damages sind weitergehende Schäden, wenn diese bei Vertragsschluss vorhersehbar waren.

Die sog. punative damages wurden bis vor kurzem nur in Deliktsfällen zugesprochen. Inzwischen werden diese jedoch auch vereinzelt in Vertragsverletzungsverfahren zuerkannt, wenn der Klagegrund über einen »bloßen« Vertragsbruch in den Bereich des »empörenden Verhaltens« hinausgeht.

Zudem können die Parteien eine Vereinbarung über feste Schadensersatzsummen (sog. liquidated / stipulated damages) treffen. Voraussetzung ist, dass die Schadenshöhe schwer vorhersehbar ist. Zudem muss die vereinbarte Summe eine angemessene Schätzung des möglichen Schadens darstellen. Die Vereinbarung von Vertragsstrafen (penalties) ist hingegen unzulässig. Die Vertragserfüllung (specific performance) soll auf diesem Wege nicht erzwingbar sein.